Gymnasium schlaucht mich
Guten Abend,
ich bin weiblich, fünfzehn Jahre alt und gehe seit letztem Sommer an ein Schweizer Gymnasium.
Ich habe mich eigentlich darauf gefreut und die Zeit dort ist auch interessant und lehrreich, doch es ist schrecklich ermüdend und 'kaputt-machend'.
Ich merke schon am ersten Tag nach den Winterferien, dass ich müde bin und mich so... alleine fühle, was während den ganzen Ferien nie geschehen ist. Ständig denke ich darüber nach, ob das Gymnasium wirklich der richtige Weg ist, da ich die Zeit dort als lange und hart empfinde (an den Rhythmus dort gewöhne ich mich nur schwer).
Meine Eltern üben keinerlei Druck auf mich aus, ich könnte -falls ich eine Wunsch-Lehrstelle hätte- auch eine Lehre anfangen. Doch eigentlich möchte ich am Gymnasium bleiben und mal studieren! Es schlaucht mich nur sehr.
Die ständigen Hausaufgaben und Tests sind ebenso ermüdend wie die Tatsache, dass ich irgendwie keine Wahl habe und hier feststecke; denn auch eine Lehre würde drei Jahre dauern und mit Schule verbunden sein.
Ich stecke in einer Zwickmühle. Ich weiss nicht, wie ich mich ausreichend für die Schule motivieren kann, um noch drei ein halb weitere Jahre zu bestehen. Teilweise läuft alles gut, aber in Momenten wie dem jetzigen fühle ich mich einfach sehr... müde.
Verzeihung für mein banales Problem; ich hoffe, Sie haben trotzdem einen Rat für mich.
Liebe Grüsse, A.
Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde
alles andere als banal
Hallo A
Was du beschreibst, sind sehr nachvollziehbare und oft vorkommende Gefühle bei einer Umstellung
einer Lebenssituation. Dass du von deinem familiären Umfeld unterstützt und nicht unter Druck gesetzt wirst, ist sehr gut. Es gibt dir die Freiheit, dich selber für einen Berufsweg zu entscheiden. Nicht wissen, was auf einem zukommt kann spannend sein, aber auch verunsichernd. Du sagst selber, du möchtest im Gymnasium bleiben und voraussichtlich studieren. Du findest es
interessant und glaubst ein anderer Weg wäre genauso anstrengend. Also ist deine Entscheidung für diese Ausbildung fürs Erste mal gefällt. Aber wie mit der grossen Herausforderung umgehen? Überleg dir mal, wann du in deinem Leben einer so grossen Umstellung von Umständen begegnet bist. Neue Freunde im Alltag, neuer Weg, neue Umgebung, neue - höhere Anforderungen… Der Wechsel von der Sek (oder deiner bisherigen Schule) ins Gymi wird wahrscheinlich der grösste Sprung
in deiner bisherigen Schulkarriere gewesen sein.
Ein solcher Wechsel ist tatsächlich eine grosse Herausforderung, die auf Dauer Energie raubend sein kann. Wahrscheinlich musstest du noch nie so viel lernen. Bedenke aber auch, dass
das erste halbe Jahr im Gymi das Strengste ist. Nebst den organisatorischen Umstellungen ist da noch die Probezeit. Dass dich das schlaucht, ist sehr verständlich!
Jede Person braucht ihre eigene Anpassungszeit, sich an eine neue Lebenssituation zu gewöhnen. Dass du im ersten halben Jahr vermehrte Phasen von starker Müdigkeit hast, ist nicht aussergewöhnlich. Gib dir etwas mehr Zeit, dich an die neue Situation zu gewöhnen! Du musst nicht tatenlos zu sehen. Überleg dir, wo du Energie schöpfen kannst, wenn dich das Lernen mal wieder ermüdet? Bist du eine Person, die sehr viel Energie tankt, wenn sie mit Freunden etwas unternehmen kann? Könnte es dir helfen, dich mit deinen neuen Gymi-Freunden stärker auszutauschen,
etwas ausserhalb der Schule mit ihnen zu unternehmen, um die Umgebung nicht nur mit dem mühsamen Lernen zu verknüpfen? Machst du Sport oder Musik? Vielleicht auch in der neuen Schule, gibt es Möglichkeiten von Freizeitaktivitäten, die dir Spass machen? Oder vielleicht genau ausserhalb der Schule, um nicht zu viel Zeit da zu verbringen? Finde heraus, wo du am besten abschalten und Energie tanken kannst. Dass du am Anfang viel Lernen musst für die Tests ist klar, aber du
solltest auch einen Ausgleich schaffen. Konzentriere dich nicht NUR auf die Schule.
Gewissenhaftigkeit ist eine gute Eigenschaft, wenn sie zu deinen Gunsten ist. Probiere aber mal aus, deine Hausaufgaben etwas weniger genau und in einem von dir im Voraus bestimmten Zeitrahmen zu erledigen (z.B. nicht mehr als eine Stunde pro Tag). Das scheint dir vielleicht ein komischer Rat zu sein, weil sich so deine Leistung verschlechtern könnte. Wenn du jedoch mehr Energie hast, wirst du in der kürzeren Zeit auch leistungsfähiger sein.
Übrigens starke Müdigkeit und verminderte Energie bei 15-jährigen Mädchen ist nicht selten mit mangelndem Eisen verbunden. Falls du schon lange nicht mehr beim Arzt warst, schildere ihm deine Symptome und klär doch mal deine Eisenwerte ab.
Ich wünsche dir alles Gute,
Claire