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Darf ich traurig sein?

Hallo

Ich habe ein ganz grosses Problem. Meine Mutter hat Krebs. Ich weiss das aber erst seit zwei Monaten. Da kam sie plötzlich ins Krankenhaus. Auf die Onkologie. Der Krebs ist total selten, riesengross und hat schon Metastasen gebildet. Bis jetzt ist weiter nichts passiert, weil die Ärzte noch am Fakten sammeln sind. Meine Mama ist auch schon lange wieder daheim. Für meinen Bruder und mich war es ein riesiger Schock. Wir leben irgendwie weiter, auch weil grad alles so unwirklich scheint. Aber ich bin total fest traurig. Und ich habe solche Angst, dass sie sterben könnte. Zuerst hiess es, dass das passieren würde. Jetzt ist die Prognose etwas besser. Trotzdem belastet es mich. Meinstens denke ich nicht darüber nach, aber ich habe das Gefühl, dass die versteckten Gefühle mir Energie rauben. Ich mag gar nichts mehr machen. Ich kann auch irgendwie mit fast niemandem darüber reden. Meinem Bruder gelingt das besser. Aber ihn belastet es auch sehr, das weiss ich. Ich habe gegooglet, ob das normal ist, dass man so traurig ist und Angst hat und nicht mehr mag. Aber da steht immer nur, man müsse dem Patienten helfen und ihn unterstützen und entlasten. Weil es dem oft auch psychisch nicht gut geht. Meine Mama ist aber nicht traurig und hat auch nicht wirklich Angst. Sie will v.a. nicht sterben wegen uns Kindern. Wir sind zwar schon erwachsen, aber wir brauchen sie noch. Sie weiss das und wir wissen das. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne sie zu leben. Meiner Mama geht es eigentlich gut, sie kann sogar arbeiten. Nur ist sie oft müde und erschöpft. Aber das bin ich auch. Ich sag ihr nicht so, wie es mir geht. Aber sie weiss es sowieso immer. Manchmal kuscheln wir mit ihr, mein Bruder und ich. Und seltener reden wir auch darüber. Aber es weiss ja niemand wirklich etwas. Da gibt es nicht so viel zu reden. Vielleicht kann ich drum auch nicht mit meinen Freundinnen reden. Oder weil ich nicht immer gefragt werden will "Wie geht es deiner Mama?" oder "Gibt es etwas Neues von deiner Mama?", wenn es mir gerade so schön gelingt, mich auf etwas anderes zu fokussieren. Wie es mir geht, fragt eh keiner irgendwie. Weil eigentlich gehts mir echt scheisse. Nicht die ganze Zeit spürbar und nach aussen hin auch nicht sichtbar, aber wohl eigentlich schon die ganze Zeit. Und ich versuche die ganze Zeit herauszufinden, ob ich jetzt Hilfe bräuchte oder ob das einfach auch normal ist. Wenn die Mama möglicherweise unheilbar krank ist. Das Internet ist aber keine Hilfe. Da gibt es überhaupt keine Informationen dazu, wie man als junge Erwachsene mit einer Kebserkrankung der Eltern umgeht. Wäre ja irgendwie auch komisch und falsch, wenn mein Bruder und ich plötzlich für Mama da sind oder so. Klar helfen wir und nehmen ihr auch Arbeit ab. Aber sie ist und bleibt unsere Mutter. Ich weiss nicht, was ich tun soll. Wenn sie stirbt, bin ich Waise. Und mein Bruder hat nur noch seinen Papa,der schon in den zwei Wochen Krankenhaus so zusammengebrochen ist, dass wir ihn definitiv trösten mussten. Und nicht umgekehrt. Er liebt mich nicht wirklich. Wenn Mama stirbt, habe ich nur noch meine Oma, die mich wirklich von Herzen lieb hat. Und die ist doch auch schon alt und könnte irgendwann sterben. Ich bin noch zu jung, um alleine zu sein. Ich kann das nicht. Und diese ganze Ungewissheit ist eine Katastrophe. Zumindest da bin ich mir sicher, dass das normal ist. Das mag ja echt niemand. Aber sonst? Spinne ich oder darf ich so traurig sein? Darf ich mich zurückziehen vor meinen Freunden oder ist das schlecht? Könnt ihr mur helfen?

Levina

Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde

Traurig sein ist vollkommen okay

Liebe Magali
Es tut mir sehr leid, dass deine Mutter so krank ist. Und vor allem auch, dass du in dieser Situation so allein und verunsichert bist. Mit dir stimmt alles, es ist vollkommen okay, dass du traurig bist. Ich kann dir auch ganz grundsätzlich sagen, dass jeder anders mit so einer Situation umgeht und so ziemlich jede Reaktion in Ordnung ist. Aber so wie du reagierst, reagieren wohl die meisten. Nur muss jeder schauen wie er trotzdem weitermacht im Leben und mit seiner Angst und Trauer. Darum sieht man es von aussen nicht so - wie bei dir.
Ich verstehe, warum du dich zurückziehst und mit deinen Freunden nicht sprechen magst. Du solltest trotzdem eine Balance finden zwischen Rückzug und deinen Schmerz mit anderen teilen. Würdest du nicht wollen, dass deine Freunde ihre Schwierigkeiten im Leben mit dir teilen? Und verbring viel Zeit mit deiner Oma, es ist so schön, hast du sie. Du bist nicht alleine.
Wenn du weiterhin Hilfe im Internet suchen willst, gib den Begriff „Angehörige“ und dann Krebs ein. Vielleicht findest du dann besser Info oder sogar eine Beratung in deiner Nähe.
Ich wünsche dir alles Gute, liebe Grüsse, Mika

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