Ich war glücklicher und zufriedener als ich keine Arbeit hatte
Ich habe ein 'kleines Problem'. Eigentlich ein eher grösseres um ehrlich zu sein. Als ich im Sommer 2014 meine Ausbildung als Kauffrau abgeschlossen habe, fand ich lange keine Stelle mehr. Ich war fast 1 1/2 Jahre arbeitslos. Das war natürlich alles andere als schön. Man hat immer den Gedanken im Kopf, was wird nur aus mir. Die vielen Absagen lassen einen auch Zweifeln. Und es gab Tage da bin ich kaum rausgegangen, war nur bei meiner Mutter, auch sie hat das natürlich belastet.
Trotz allem konnte ich ausschlafen, konnte was mit meiner Mutter unternehmen, zum Sport gehen wenn alle anderen arbeiteten. Ich habe im Sommer die Sonne genossen auf der Terrasse, ja, irgendwie war es schön einmal abzuschalten nach all den Jahren Schule und Ausbildung, die mich sehr gefordert hatten. Meine 3 Lehrjahre waren nicht immer toll, die Leute mochten mich nicht wirklich. Vielleicht lag es auch daran, dass ich am Anfang auch nicht wollte. Ich wollte eine Pause, geniessen und mal etwas Zeit zum abschalten. Doch nach einem Jahr kamen dann die Zweifel.
Aber irgendwie habe ich es geschafft, nach allem doch eine Stelle zu finden. Seit gut 3 Monaten arbeite ich nun wieder. Und ja, es ist schwer sich wieder umzugewöhnen. Aber das Hauptproblem ist: die Arbeit fordert mich nicht.
Ich bin froh, wenn ich nachmittags Aufgaben bekomme, denn meistens weiss ich schon morgens nicht, was machen den ganzen Tag. Für den Lohn den ich bekomme, darf ich mich überhaupt nicht beklagen, für das ich so wenig zu tun habe. Meine Vorgängerin war 5 Jahre an dem Job, was ich überhaupt nicht verstehen kann. Man sitzt wirklich nur die Zeit ab. Irgendwie habe ich auch das Gefühl, mein Leben hat nun noch weniger Sinn als vorher. Als ich keine Arbeit hatte war es die Aufgabe, eine Stelle zu suchen, aber jetzt, wo ich eine habe, was ist dann noch meine Aufgabe? Obwohl ich erst um 8 Uhr anfangen muss und mein Arbeitsweg in 5 Minuten mit dem Fahrrad bewältigt habe, fällt es mir so schrecklich schwer morgens aufzustehen. Es ist wie ein Stich tief im Bauch, jedes mal wenn ich wach werde. Ich schäme mich schon fast das zu sagen: Aber ich war glücklicher und zufriedener als ich keine Arbeit hatte. Ich konnte das Leben und alles drum und dran geniessen. Jetzt sitze ich 5 von 7 Tage in der Woche 8 Stunden vor einem PC und weiss nicht was tun. Die Zeit geht natürlich eeeewigs, wenn man nichts zu tun hat. Ich weiss einfach nicht, was machen. Ich bin ja froh, endlich einen Job zu haben. Und die Leute sind alle nett, der Arbeitsweg könnte nicht kürzer sein. Ich kann nach Hause essen gehen am Mittag. Und doch bin ich total unglücklich.
Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde
Gib dir deine Aufgaben selbst.
Hallo Selina
Es ist mutig von dir, dass du dir selbst eingestehst und hier mitteilst, dass du glücklicher und zufriedener warst, als du keine Arbeit hattest. Du bist einfach ehrlich und musst dich deshalb nicht schämen.
Nun was machst du mit dieser unglücklichen Situation?
Für mich ist klar, dass das nicht der Job deines Lebens sein wird, denn - wie du schreibst - ist es sehr belastend, nicht gefordert zu sein.
(Ich weiss zwar nicht, ob du überhaupt mit dem Gedanken spielst, aber...)Es lohnt sich dennoch ganz und gar nicht, das Ganze einfach hinzuschmeissen, um zurück in der Arbeitslosigkeit zu landen. Die Arbeitslosigkeit war ja auch sehr schwierig für dich und eine Kündigung wäre weder für deine berufliche Laufbahn, noch für dein Selbstwertgefühl sinnvoll. Zudem bliebest du finanziell abhängig von deiner Mutter bzw. deinen Eltern.
Es ist wichtig, dass du dranbleibst. Sieh die Zeit während deinem Job an, als Zeit die dich langfristig berufich und persönlich (im Bezug auf dein Selbstwertgefühl) weiterbringt. Die Stelle macht für dich keinen Sinn, also gib ihr einen!
Sprich mit deinem/deiner Vorgesetzten darüber, dass du häufig keine Aufgaben hast. Gibt es die Möglichkeiten mehr Aufgaben zu erhalten? Vielleicht wäre es auch für euch beide eine Lösung, dass du weniger Stellenprozent arbeitest. Was ist, wenn du keine Arbeit hast? Darfst du dann nach Hause oder musst du weiter am PC sitzen? Übrigens ist es sicher hilfreich für das Gespräch mit deinem Vorgesetzten, wenn du auch sagst, was du alles gut findest an der Stelle z.B. die netten Leute.
Wenn du weiter am PC sitzen musst: Was kannst du am PC machen und macht dir Spass oder gibt dir eine Sinnhaftigkeit? Was fordert dich? Denk zum Beispiel darüber nach, was dich in der Schule gefordert hat. Du könntest zum Beispiel eine Sprache lernen, Zeitung lesen oder ein Spiel spielen.
Parallel befasst du dich mit deiner Laufbahn. Wo würdest du gerne hin? Du kannst dich weiterhin auf neue Stellen bewerben oder dich für eine neue Ausbildung bewerben/anmelden. Es ist tendenziell einfacher eine neue Stelle zu finden, wenn du nicht arbeitslos bist. Vielleicht kannst du das ja sogar während der Arbeit machen, wenn du am PC sitzt und nichts zu tun hast ;-)
Zu guter Letzt: Solange dich deine Arbeit nicht erfüllt, achte darauf, dass deine Freizeit besonders toll ist!
Alles Gute
Sophia