Möchte aus meinem Leben ausbrechen
Da mein bester Freund mich unterstützt, er aber selber Probleme hat, dachte ich zum Abwechslung meine Sorgen woanders abzuladen. Also hab ich anonym bei "Hilferuf.de" geschrieben. Die bisherigen Antworten vermittelten mir den Eindruck, dass meine Probleme überhaupt nicht verstanden haben. Sie... gaben sogar meinen Eltern recht! Jetzt zweifle ich wieder an mir: sind meine Sorgen wirklich so unberechtigt? Bin ich am Ende doch nur ein Versager?
Gestern hatte ich auch wieder 'ne Auseinandersetzung mit meinen Eltern. Ich versuche ihnen zu erzählen wie es in mir aussieht, aber sie verstehen mich nicht. Ich stell mich nur an, bin ne Dramaqueen, lüge, denke mir Ausreden aus, bin faul, egoistisch und narzistisch...
Mich beschäftigt der Wunsch GANZ ausbrechen aus diesem Leben. Und zwar komplett! In mir... existiert tatsächlich der Wunsch abzuhauen! Mir ist schon bewusst, welche Konsequenzen hat:
Kälte, Hunger, Kriminalität...
Meine Komfortzone ist zwar gewachsen, doch nun stehe ich vor noch höheren Mauern. Ich habe zwar jemanden, der hinter mir steht, doch dieser hat selbst mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen.
Bitte... ich brauch wirklich Hilfe :'(
Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde
Brich aus deinem Leben aus, indem du dich den Herausforderungen stellst und zu handeln beginnst
Liebe Anonym
Wie du siehst, habe ich deine Anfrage sehr stark gekürzt. Ich verstehe deinen Ärger deinen Eltern gegenüber und nun kommt auch noch die Enttäuschung hinzu, dass du dich auf der anderen Online-Plattform nicht verstanden gefühlt hast. Du bist frustriert, verzweifelt, verärgert, verletzt…Trotzdem konnte ich nicht alles, was du geschrieben hast, veröffentlichen.
Du hast deinen ersten Schritt aus deiner Komfortzone getan – du hast deine Geschichten veröffentlicht und dafür Lob und Anerkennung erhalten. Du hast dadurch sogar Freunde gefunden, die dir viel bedeuten und denen du ebenfalls viel bedeutest. Darauf kannst du wirklich sehr stolz sein!
Hast du nun deine nächsten Schritte schon geplant? Im Moment denkst du sehr viel und bist deinen Gefühlen manchmal völlig ausgeliefert. Du denkst sehr oft darüber nach, wie schlecht es dir geht, und das zieht deine Stimmung noch mehr runter. Dies ist eine Negativ-Spirale: Du fokussierst stark darauf, was in deinem Leben nicht stimmt und das macht dich noch trauriger, wütender und verzweifelter. Versuche aus dieser Spirale auszubrechen und auch vermehrt zu handeln. Momentan spielt sich dein Leben virtuell ab – und es ist super, dass du auf diese Weise so grosse Fortschritte gemacht hast. Versuche nun, diese Fortschritte im realen Leben umzusetzen und an deiner Situation etwas zu ändern. Geh raus, beweg dich, triff auch Leute im echten Leben. Du hast nun gemerkt, dass es Leute gibt, die dich mögen und schätzen und du wirst bestimmt auch „offline“ Leute kennen lernen, die dich so akzeptieren, wie du bist. Setz noch mehr dran, einen Job zu finden. Du konntest deine sozialen Kompetenzen trainieren und hast durch das Ausweiten deiner Komfortzone einige Stärken von dir kennen gelernt. Nutze dies im Bewerbungsprozess. Es wäre bestimmt toll, wenn du etwas finden würdest – deine Eltern würden nicht mehr ständig motzen, du könntest ohne schlechtes Gewissen deine Online-Kontakte pflegen (und R. vielleicht sogar mal besuchen gehen) und Geschichten schreiben (dann könnten sie es dir ja nicht mehr aus dem Grund verbieten, dass du faul und arbeitslos bist), du würdest dein eigenes Geld verdienen und könntest langsam auf eigenen Füssen stehen und vielleicht sogar das Ausziehen ins Auge fassen. Und du wärst bestimmt sehr stolz auf dich selbst und an deiner Situation würde sich Vieles ändern!
Ich will dich nicht unter Druck setzen oder dir den Vorwurf machen, dass du zu wenig tust und dich nicht um die Bewerbungen kümmerst, deine Situation ist wirklich schwierig und das Klima bei dir zu Hause ist überhaupt nicht unterstützend, aber ich will dich zum Handeln motivieren. Nun denkst du viel über deine Situation nach und drehst dich im Kreis. Dadurch kommst du aber nicht weiter und es wird sich an deiner Situation zu Hause nichts ändern. Suche dir z.B. in der Berufsberatung einen neuen Kontakt – jemanden, der dich kompetent berät und dir mit den Bewerbungen hilft und dir Tipps gibt, wie du am besten vorgehst. Schau mit der Person an, was für Möglichkeiten du hast. Du hast ein Abitur, du kannst gut schreiben und dich gut ausdrücken und du hast eine starke soziale Ader (was man daran sieht, wie toll du dich für R. einsetzt, wenn es ihm nicht gut geht). Mit guter Unterstützung und Einsatz von dir kannst du bestimmt etwas finden.
Geh auch mehr raus und lerne so Leute kennen. Gibt es z.B. eine Gruppe oder einen Verein, in welchem über Geschichten diskutiert wird, also so eine Art Literatur- oder Autoren-Gruppe? Finde heraus, ob es irgendwo in deiner Nähe Vereine gibt, die dir zusagen und wo du Leute kennen lernen könntest.
Du hast den Wunsch, aus deinem Leben auszubrechen, du willst etwas verändern. Einfach abzuhauen ist radikal und du merkst selbst, wo da die Probleme liegen würden. Brich aus deinem Leben aus, nicht in dem du davon läufst, sondern in dem du dich den Herausforderungen stellst und deine Mauern herunterreisst.
Rebecca