Wieso muss ich mich überhaupt outen?
Hallo liebes Kopfhoch-Team
Ich bin ein ganz normaler Junge (19), der seinen Platz im Leben versucht herauszufinden. Mein Leben ist wirklich 0815. Ich lebe zusammen mit meiner Schwester und meinen Eltern. Ich habe eine Lehre gemacht und arbeite nun. Und dann sind noch meine Freunde. Wir treffen uns oft, und machen Sachen die Freunde so tun. Wir machen roadtrips, gehen in den Ausgang, reden im starbucks über unsere Probleme usw... Aber ein Geheimnis unterscheidet mich von den anderen und keiner weiss es, ich bin schwul. Aber ich bin genau gleich wie sie. Ich fühle mich wie auf einem Riesenrad, manchmal bin ich ganz oben und manchmal tief am Boden.
Ich habe es vor drei Jahren gemerkt. Auf dem Weg zur Arbeit im Bus, fiel mir immer wieder der gleiche Junge auf (heute noch). Ich kann es nicht erklären, aber er lächelte mich an und sagte mir Hallo. Immer und immer wieder, wenn ich ihn sah. Ich fühlte (und fühle mich bis heute noch) magisch angezogen von ihm. Nur wenn ich bei der Arbeit daran denke, dass ich ihn im Bus wieder treffe, strömt nur Freude. Ich wagte vor zwei Jahren den Schritt und folgte ihm auf Instagram (er folgte mir nicht zurück) aber ab und zu schaute er sich meine stories an. Und er lächelte mich trotzdem immer wieder an....
Nachher kam Corona und ich sah ihn nicht mehr (musste im Homeoffice arbeiten). Doch wie es der Zufall will traf ich ihn im Ausgang vor kurzem. Wir schauten uns an doch wir taten nichts. Kein Hallo, kein lächeln, nichts. Das einzige was nun bleibt sind meine Gedanken. Ich bin nicht geoutet, ich weiss nicht wie mein Umfeld reagieren wird (ich will nach dem outing immer noch der selbe sein). Und dann kommen diese Schmetterlinge im Bauch, nur wenn ich an ihn muss denken. Dabei habe ich keine Ahnung was er für eine Orientierung hat. Wie es das Schicksal will, wird er wahrscheinlich nicht auf männer stehen und ich werde nie die chance haben, ihn kennen zu lernen. Ich werde nie den Mut haben, ihm meine Gefühle zu offenbaren. Und das nervt mich.... Wieso muss ich mich überhaupt outen? Wieso spielt das überall eine Rolle? Ich bin immer noch der gleiche Mensch, auch wenn ich einen anderen Mann liebe.
Danke für alles und Entschuldigung für meine lange Nachricht. Aber diese Gedanken musste ich los werden.
Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde
Immer wieder
Lieber Jean
Ich kann nur bestätigen, dass Du ein ganz normaler Junge bist. Mit Höhen und Tiefen in Deiner Stimmung. Wie alle. Nur dass Du Dich im Moment noch nicht ehrlich austauschen kannst, worum es bei Deinen Höhen und Tiefen geht. Weil Dein Geheimnis dahinter steckt. Du kannst aber trotzdem über Deine Gefühle sprechen, versuche nicht sie zu verstecken. Z. B. kannst Du darüber sprechen, dass Du zur Zeit einsam fühlst, obwohl Du Freunde hast. Das geht vielen aus unterschiedlichen Gründen so. Und man fühlt sich dann gleich wieder weniger einsam. Oder eben darüber, dass man unglücklich verliebt ist.
Du wirst nach einem Outing immer noch derselbe sein. Vielleicht werden einige Leute in Deinem Umfeld sich anders verhalten, dich anders sehen. Das stimmt schon. Aber Du wirst derselbe sein. Das werden die Menschen um Dich herum schnell merken. Du fängst ja kein neues Leben an, sondern gibst etwas Preis, dass schon lange da ist. Aber es braucht natürlich Mut. Immer wieder. Denn man outet sich nicht auf einmal. Es passiert immer wieder, in kleinen Schritten. Wer sollte es als erstes wissen? Wer wird Dich genauso nehmen, wie Du bist? Weiter würde ich erstmal gar nicht denken. Es beginnt eigentlich bei nur 1 Person. Dann siehst Du weiter.
Aber ja… es nervt Dich zu Recht. Warum müssen die Menschen sich überhaupt outen? Ich wieso müssen das Heteros nicht? Und sich verteidigen. Es ist total unfair. Du musst für Dich herausfinden, wie Du das machen willst. Keinen grossen Plan schmieden. Aber Person für Person herausfinden, wann es sich richtig anfühlt, weil zu erzählen, dass Du eben den Jungen da süss findest.
Ich wünsche Die alles Gute, liebe Grüsse, Mika