Hallo Ester,
du hast gesagt, ich dürfe mich wieder melden. Ich kann dir leider nichts Gutes erzählen. Am Mi abend hab ich bemerkt, dass mein Kaninchen sehr krank ist, so wie das, das im Herbst gestorben ist. Es musste sehr leiden. Ich war total geschockt und hab erst mal draussen die ganze Nachbarschaft hinausgeweint. Weisst du, ich bin Schuld, dass meine Kaninchen gestorben sind, weil ich nicht gut geschaut hab und es doch eigentlich hätte besser wissen müssen. Dabei liebte ich sie doch, es ist wie ein Mord an jemandem geliebten.
Und in dem Schreck und meiner Verzweiflung später konnte ich das Ritzen nicht mehr lassen. Damit hab ich aber schon wieder versagt. Und jetzt hat es auch noch mein Lehrer gesehen, und der sagt es bestimmt meiner Mutter! Und ausserdem mach ich alle meine Freunde unglücklich und das ist ein saumässig mieses Gefühl. Alle machen sich Sorgen und sind so lieb zu mir, das macht mich aber traurig, denn zu Hause ist es ja noch genauso schlimm, und wenn Mama das erfährt, dann halt ich das nicht aus. Ich werde wohl weglaufen, zu einer Freundin oder so. Es ist zu Hause auch so schon unerträglich.
Eine gute Nachricht hab ich aber doch, unsere Theatergruppe hatte grossen Erfolg bei den Aufführungen letzte Woche, wir haben Die Räuber von Schiller gespielt. Aber jetzt vermisse ich die anderen so sehr, dass es fast nicht zum Aushalten ist. Und ich weiss nicht mal wo sie wohnen, es ist zum Heulen!
Ach, und noch etwas schönes, ich hab endlich mein Velo wieder! Bin schon fast bis auf Hochwald gefahren. Aber all die schönen Dinge holen mich nicht aus dem Tief heraus in dem ich stecke. Was meinst du, soll ich meine Lehrer um Hilfe bitten? Meine Freunde können mir nämlich nicht helfen.
Also Tschüss, deine unglückliche Melinda