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Bin durcheinander und verstehe nicht wieso

Ich bin irgendwie total durcheinander und verstehe gar nicht wieso. Ich komme am Morgen kaum aus dem Bett und habe keine Energie für den Tag. Es ist, als wäre ich innerlich gar nicht richtig da, nur mein Körper läuft herum. Der Rest von mir denkt nach und versucht das Chaos in mir zu ordnen. Ich mag nicht allein sein, aber mit jemandem reden mag ich auch nicht. Einzelne Sätze vielleicht, um meine Fragen in den Raum zu stellen. Aber ich würde mir wünschen, jemand wäre da, der mein Schweigen aushält und mich nicht alleine lässt. Ich bin traurig und dann gibt es da noch etwa hundert Gefühle gleichzeitig mit dazu. Manche sind gut und manche schlecht und viele irgendwo dazwischen. Ich würde mir wünschen, dass mich einfach jemand in den Arm nimmt. Aber das ist irgendwie nicht richtig, weil bei mir ist ja nichts passiert. Die Mama meiner Freundin ist gestorben. Seither oder noch ein ganz kleines bisschen früher, bin ich so komisch drauf. Ich war immer für meine Freundin da und habe mitgetragen und manchmal auch mitgelitten. Es tut mir weh, wenn sie Kummer hat. Und jetzt gerade ist ihre Trauer natürlich riesig und ich kann nichts tun um sie zu trösten. Sie wollte mich die letzten Tage noch nicht mal sehen. Nur telefoniert haben wir mal und beide geschwiegen und sie hat geweint und mir sind auch die Tränen runtergelaufen. Geteilte Trauer war das irgendwie, aber eigentlich kenne ich ihre Mama doch gar nicht richtig, sie war die ganze Zeit schon so krank. Ich habe keinen Grund zum Traurigsein und so neben den Schuhen zu stehen. Ich verstehe das nicht, wirklich nicht. Und in meinem Nichtverstehen, meinen Fragen und meiner Traurigkeit vermisse ich noch dazu meine Freundin ganz fest. Ich habe zum Glück noch andere Freunde, aber sie fehlt mir trotzdem. Und es ärgert mich, dass ich so egoistisch sein kann und in solch einer Situation an mich denke. Natürlich finde ich es total okay, dass sie sich gerade zurückzieht und natürlich weiss ich, dass die nächsten Wochen und Monate sie mich viel mehr braucht. Und ich möchte ganz gerne für sie da sein und es fällt mir schwer, nicht Tag und Nacht bei ihr zu sein. Ich will sie nicht alleine lassen, aber solange sie sich das wünscht, lasse ich sie. Aber zurück zu meiner Frage: Ich verstehe nicht, was mit mir los ist. Ich habe keinen Grund dafür, dass es mir so geht gerade. Aber ich habe mit meinen beiden Freundinnen geschrieben, die ebenfalls mit dem Mädchen befreundet sind, dessen Mama gestorben ist. Und die sind auch durcheinander, sagen sie. Ist das tatsächlich so, dass die engsten Freunde von Trauernden auch irgendwie leiden? Aber warum? Und wie komme ich da wieder raus? Es kann doch nicht sein, dass ich kaum aufstehen und essen mag und nicht reden und gelacht habe ich in der letzten Woche auch nicht, eher geweint. Ich habe sogar geheult ohne zu wissen warum. Und meine Mama macht sich auch Sorgen um mich, weil ich herumlaufe wie ein Zombie und mich nur im Zimmer verkrieche. Geht das wieder weg? Ich bin einfach so müde. Am Sonntag bin ich mit einer Kollegin rausgegangen, das war gut weil ich fast nicht an den Tod gedacht habe. Aber auch blöd, weil sie ständig quatschen wollte. Gestern habe ich mit einer anderen Freundin zu Mittag gegessen im Park. Es war gut, dass sie da war und wahrscheinlich auch, dass sie mich zum Essen gezwungen hat. Aber ich mochte auch da nicht reden. Für sie war es aber okay, denke ich. Was kann ich noch tun?

Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde

Gegenteil von egoistisch

Liebe Daphne
Ich glaube, du bist eben das Gegenteil von egoistisch. Du bist sehr empathisch und sensibel. Das heisst, du kannst dich gut in andere hineinfühlen und leidest bei Lebenskrisen von Freunden mit. Sensibel bedeutet, dass du stärker als andere auf deine Umwelt reagierst. Und das ist okay so! Es ist schön, gibt es nicht nur egoistische Menschen auf dieser Welt. Die Menschheit würde sonst nicht überleben, weil die Menschen sich nicht gegenseitig schützen würden. Gleichzeitig musst du dich aber umso mehr vor all den Gefühlen schützen, die im Leben auf dich einprasseln. Im Moment brauchst du wohl Ruhe, um dich zu erholen. Du musst kein schlechtes Gewissen haben, weil dir "nichts passiert" ist. Du fühlst mit deiner Freundin mit und diese Gefühle sind real.
Es wird vorbeigehen, du musst dir etwas Zeit lassen. Und in dieser Zeit solltest du darauf achten, dass du dir möglichst gut geht. Lass dich trösten, wenn es dir schlecht geht, und ergreife die Möglichkeit, auch wieder die schönen Seiten des Lebens wahrzunehmen. Wenn es schlimmer wird, dann hol dir Hilfe. Du hast wirklich das Recht dazu.
Ich wünsche dir alles Gute, Mika

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