Liebe ist kompliziert
Hallo,
Um euch auf das Thema vorzubereiten: Liebe ist kompliziert.
Ich habe seit über zwei Jahren einen Freund und ich liebe ihn. Ich liebe ihn jetzt auch viel mehr als am Anfang, es hat sich halt entwickelt, wie sich das auch gehört. Ich wusste aber schon ziemlich schnell, dass wir in vielen Sachen nicht ähnlich denken und ticken. Er ist eher kindisch, spielt gerne PC-Spiele, macht einfach mal gerne gar nichts, ist für Atomkraft, isst viel Fleisch und nicht biologisch und gesund. Ich liebe es zu reisen, zu fliegen, ich will noch die Welt sehen, brauche Abwechslung. Mir wäre langweilig, mal länger gar nichts zu tun. Er hat Flugangst und will wahrscheinlich in der selben Stadt bleiben. Ich bin aufgeschlossen, meine Eltern kaufen oft Bioprodukte und essen fast immer vegetarisch. Er denkt so über die Flüchtlingssituation und ich anders.
Das erstmal als kleinen Blick darüber, wie unterschiedlich wir sind.
Ich konnte mir schon oft ernsthaft vorstellen, mit ihm zusammen zu wohnen und allgemein alt zu werden. Doch es gab immer wieder in den zwei Jahren Momente, an denen ich dachte, dass wir realistisch gesehen eh nicht für immer zusammen bleiben und dass er mich später langweilen und nicht glücklich machen wird. Er wird ein sturer Mann, der gerne zuhause bleibt und das Gleiche macht. So stelle ich mir den Alltag manchmal in Gedanken vor und erschrecke, weil ich das auf jeden Fall nicht will. Es würde nicht zu mir, zu meiner Art passen und mich nicht glücklich machen. Außerdem will er noch ein paar Jahre/lange Kind bleiben, bei seinen Eltern wohnen und ich würde gerne so schnell wie möglich mein Leben mit ihm teilen, also mit ihm zusammenziehen und selbstständig sein.
Es gibt auch Momente, in denen ich erkenne wie sehr ich ihn liebe, brauche und vermisse. Wie sehr ich doch trotzdem seine Art und sein Lächeln liebe und denke, dass ich niemals mit ihm Schluss machen könnte.
Und dann passiert etwas Banales oder Doofes, ich bin sauer, enttäuscht oder traurig und stelle mir vor, wie ich die Beziehung mit ihm beende. (Darüber haben wir auch schon geredet, dass ich manchmal daran dachte und er auch in so Streitsituationen öfter denkt und Angst hat, dass ich mit ihm Schluss mache.)
Aber er ist oft selbst schnell genervt, wenn ich schlechte Stimmung verbreite (aus welchem Grund auch immer - nicht wichtig). Er tröstet mich nie, wenn ich mit ihm rede, diskutiere oder streite (wir können nicht richtig streiten mit anschreien etc), er beruhigt mich nicht, er hat oft kein Verständnis und er kämpft nicht um mich. Er würde es akzeptieren und so hinnehmen.
Und es gibt Momente wie jetzt, in denen ich mir mehr Bestätigung und Liebe wünsche.
In denen ich feststelle, dass es auch andere Jungs/Männer gibt, die Lieder über die Themen der Liebe singen, die meine Gefühle ausdrücken. Männer, die um ihre Frau kämpfen würden.
Manchmal steigt ein Junge in meinen Bus ein und ich frage mich, ob ich attraktiv für ihn bin. Ich lächle. Dann denke ich, ob das schon zu weit geht, wenn man das schon als flirten bezeichnet. Ich hätte Lust auf Dates, auf dieses aufregende Neue und vor allem auf einen Mann, der mir einfach ähnlicher ist, von dem ich weiß, dass unsere Zukunft nicht langweilig und öde wird und von dem ich weiß, dass ich alles für ihn bin. Dass er vielleicht alles für mich tun würde, dass er oft mit mir zusammen sein will...
Dieses Gefühl habe ich bei meinem Freund nicht immer. Und manchmal erwische ich mich mit dem Gedanken, ob ich bereit für etwas Neues wäre, einfach Schluss machen, Ausschau nach passenderen Jungs halten, wieder flirten, offen für die Welt sein. Dass ich ein anderes Leben haben will.
Und ich bin selbst erschreckt, wie ehrlich ich das gerade denke und rüberbringe. Es klingt sehr hart und etwas übertrieben. Denn dazwischen gibt es eben noch die Momente, in denen ich weiß, DASS ich ihn liebe.
Ich kann mich nicht von ihm losmachen, obwohl ich manchmal zweifle dass ich später mit ihm glücklich werde und mein Leben verbringen will. Das ist so kompliziert. Und je länger man zusammen ist und je mehr man erlebt und durchmacht, desto schwerer wird es ja, sich vom Anderen zu trennen.
Ich habe nicht vor, mich von ihm zu trennen. Aber da ist eben immer dieser Gedanke... Und ich mache mir Sorgen, weil ich weiß, dass so ein Gedanke in einer Beziehung nicht vorkommen darf.
Wenn wir zusammen sind, ist eigentlich immer alles gut, ich liebe und will nur ihn. Aber der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Ich weiß nicht, was ich mit den Gedanken machen soll. Wie seht ihr das?
Danke für eine Antwort :)
Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde
Lass dir Zeit
Liebe Louise
Wenn man jemanden liebt, aber viele Zweifel hat ist das sehr schwierig und anstrengend. Als Erstes möchte ich dich aber beruhigen. Phasen, in denen man sich viele Gedanken macht und Zweifel hat, gehören zu einer langen Beziehung dazu. Auch dass man plötzlich wieder andere Jungs interessant findet und sich nach neuen Abenteuer sehnt ist ganz natürlich. Du darfst doch einen Jungen im Bus anlächeln, oder?
Du weisst nicht, was du mit deinen Gedanken machen solltest. Lass deinen Gedanken noch ein bisschen Raum. Lass dir in dieser komplizierten Phase so viel Zeit, wie du brauchst, damit du deine aktuellen Antworten finden kannst.
Besonders der Gedanke, ob man sich vielleicht trennen möchte, bereitet einem extrem viele Sorgen, da gebe ich dir Recht. Anders als du finde ich aber, dass er in einer Beziehung vorkommen darf. Diesen Gedanken zuzulassen ist sogar sehr wichtig für dich, damit du herausfinden kannst, was du möchtest. In einer Beziehung ist es gesund, wenn man sich immer wieder erneut fragt, ob man mit einer Person sein möchte oder nicht und so immer wieder seine Antwort darauf erneuert.
In der Frage, ob du mit deinem Freund sein solltest oder nicht, gibt es kein richtig oder falsch. Was gibt dir deine Beziehung und was gibt sie dir nicht? Andere Jungs könnten deine Gefühle ausdrücken und um dich kämpfen. Was kann dein Freund, was andere Jungs nicht können? Am Schluss musst du das für dich herausfinden.
Die Frage, ob eure Unterschiedlichkeit gut oder schlecht ist, ist ganz individuell zu beantworten. Manche Leute fühlen sich angezogen von Ähnlichem, manche von Gegensätzlichem. Sind die grossen Unterschiede für dich nur schwierig oder sind sie auch spannend? Kannst du dir vorstellen, das Schwierige am Anderssein deines Freunds zu akzeptieren? Zum Beispiel weil dir die Beziehung, das Zusammensein und das Gefühl der Liebe viel gibt?
Zu einer Beziehung gehören immer zwei und entsprechend ist es mit Entscheidungen in der und über die Beziehung. Sprich mit deinem Freund. Er hat das Recht darauf, zu erfahren, dass du dir im Moment viele Gedanken machst und soll die Chance haben, darauf zu reagieren.
Hast du mit deinem Freund schon häufig über die Überthemen in eurer Beziehung gesprochen oder spricht ihr nur nachdem ihr gestritten habt? Was meint dein Freund über eure Unterschiedlichkeit? Wie sieht es mit euren Zukunftsplänen aus: Könntet ihr Kompromisse finden, die euch beide glücklich machen? Würde er er wirklich ein sturer Mann werden? Weiss dein Freund, dass du dir mehr Bestätigung, Liebe, Zuwendung (z.B. Trösten) und Verständnis wünschst? Und kannst du ihm im Moment genug Bestätigung und Liebe geben? Wollt ihr gemeinsam für eure Beziehung kämpfen, trotz (deiner) Unsicherheit?
Ein gutes Herausfinden,
Sophia