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Mein Bruder macht die ganze Zeit Scheiss

Mein Bruder macht die ganze Zeit Scheiss. Er tut so ziemlich alles, was ein Vierzehnjähriger nicht tun sollte. Rauchen, kiffen, Alkohol trinken, lügen, betrügen, stehlen und abhauen. Das belastet die ganze Familie enorm und besonders natürlich unsere Eltern. Mein kleinster Bruder gamet fast nur noch. Und ich schaffe bald meine Ausbildung nicht mehr, weil ich einfach keine Kraft mehr habe. Meine Mutter zieht mich in die ganze Sache irgendwie mit hinein und erzählt mir immer alles sofort. Teilweise sogar in der Nacht und dann kann ich nicht schlafen, weil ich Angst um sie alle habe. Ich wohne eigentlich nicht mehr Zuhause sondern bei den Grosseltern, aber es macht mich trotzdem total fertig. Und am allermeisten dass ich beginne meinen Bruder zu hassen, das will ich nicht. Aber er macht total egoistisch alles und alle kaputt. Und es tut ihm nach aussen hin nicht mal Leid. Ich bin so wütend auf ihn. Und trotzdem liebe ich ihn eigentlich, das weiss ich. Aber ich weiss nicht mehr weiter und ich mag nicht mehr. Und die anderen auch nicht wirklich. Dass etwas passieren muss, ist allen klar, aber das geht Monate und das ist zu viel Zeit. Ich mag nicht mehr zur Schule oder zur Arbeit gehen eigentlich. Und bei meinen Freunden heule ich total oft statt Spass zu haben. Als ich klein war ist mein Papa an einer Überdosis gestorben und meiner Mama ging es psychisch lange voll schlecht. Ich glaub ich habe auch deshalb noch viel mehr Angst. Dass das meinem Bruder passieren könnte, wenn er so weiter macht. Dass ich ihn verlieren könnte. Oder dass Mama irgendwann so nicht mehr kann, dass sie zusammenbricht. Oder ich auch sie verliere. Und ich liebe und brauche sie doch. Und mein jüngster Bruder leidet auch unter der Situation, er geht voll unter. Keiner hat wirklich Zeit und Kraft für ihn - er ist auch ganz brav, aber er flüchtet sich in seine Games und das ist auch nicht gut. Ich weiss nicht mehr was machen...

Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde

Nur wenn man sich erst um sich selber kümmert, hat man genug Kraft, um andere zu unterstützen.

Liebe Lilli
Ich kann Dich wirklich gut verstehen und es tut mir sehr leid, dass Ihr das durchmachen müsst. Da ist viel auf einmal, dass Du irgendwie neben Schule und Arbeit verarbeiten musst. Je nach Stimmung hast Du vermutlich mal mehr Wut, mal mehr Angst. Dass Du wütend auf Deinen Bruder ist klar, das versteht man gut. Du musst kein schlechtes Gewissen haben, denn 1. ist es tatsächlich egoistisch und 2. bist Du darum so wütend, weil Du ihn liebst. Das ist in Familien so und zeigt, dass Dir Deine Familie wichtig ist. Ein schlechtes Gewissen sollen die haben, denen die Familie egal ist. Egoismus macht einfach wütend, denn gerade als Familie sollte man doch zusammenhalten und aufeinander achten. Doch vielleicht ist er auch vor allem überfordert und seine Art damit umzugehen, ist vor der Realität zu flüchten. Durch Drogen, Gamen etc. Ich kann verstehen, dass Du dabei an Deinen Vater denken musst. Trotzdem ist ein sehr grosser Schritt von rauchen, trinken und kiffen zu einer Überdosis. Das Problem ist aber, dass dies natürlich erste Schritte in diese Richtung sind, und vor allem, dass er vermutlich Schule und Ausbildung so nicht packt. Und sich in der Familie alles so um ihn dreht, dass Deine Mutter, Dein jüngerer Bruder und vor allem auch Du leidest.
Ich schreibe "vor allem Du", weil Du hier geschrieben hast, weil es Dir nicht gut geht. Und darum soll es hier um Dich gehen und darum, dass es Dir besser geht. Ausserdem bringt es Deine Familie wirklich wenig, wenn es Dir auch schlecht geht. Nur wenn man sich erst um sich selber kümmert und es einem gut geht, hat man genug Kraft, um andere zu unterstützen. Das ist einfach so, da geht kein Weg daran vorbei. Darum musst Du - für Deine Familie - jetzt die Bremse ziehen und Dich kurz mal nur auf Deine psychische Gesundheit konzentrieren. Du schreibst, dass bei Deinem Bruder etwas passieren, es aber noch Monate dauert. Ich weiss nicht genau, was Du meinst, doch wenn es um eine Beratung oder ähnliches geht, kannst auch Du so etwas nutzen. Wenn Du die Möglichkeit hast, z. B. an Deiner Schule, dann sprich mit jemandem über Deine Ängste, Deine Wut und vor allem Deine schwindende Kraft. Denn das ist wirklich ein Alarmzeichen. Ein Alarmzeichen, dass Du Dich jetzt kurz um Dich kümmern musst.
Am wichtigsten scheint mir, dass Deine Mutter sofort aufhören muss, Dich so damit zu belasten. Es ist einfach nicht richtig, so schwer sie es auch hat, sie muss diese Probleme mit jemand besprechen, der mehr oder weniger in ihrem Alter oder älter ist. Mindestens in der Nacht und unter der Woche muss sie Dich schützen. Denn sie ist auch Deine Mutter und es wird ihr nichts bringen, wenn ihre Tochter langsam, aber sicher auch zugrunde geht. Schlag ihr vor, dass ihr abmacht, um über Probleme zu sprechen, aber sie darf Dich nicht mehr so überfallen. Du musst eine Chance haben, Deine Kräfte einzuteilen. Ihr könnt auch jeden Tag von 17 bis 18 Uhr abmachen oder irgendwas anderes, aber Du kannst nicht jederzeit zur Verfügung stehen. Dann hast Du vielleicht auch mehr Kraft, um zum Beispiel einmal in der Woche etwas kleines Schönes mit Deinem jüngeren Bruder zu unternehmen. Das würde ganz konkret allen ein bisschen helfen. Mehr als Angstgespräche mitten in der Nacht. Wichtig ist auch, dass Du Dir Zeit für Dich reservierst. Zeit, in der es nur darum gehen soll, dass es Dir besser geht. Eine halbe Stunde am Tag oder ein Abend in der Woche. Es muss nicht viel sein, aber soll genau so selbstverständlich sein, wie die Sorgen, die Du Dir um Deine Familie machst.
Ich wünsche Dir noch viel Kraft, liebe Grüsse
Mika

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