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weinen aus Angst

Ich habe grad ein Problem mit meinem Bruder... Ich weiss, eigentlich wäre unsere Mutter dafür zuständig oder der Vater. Aber sie interessiert sich sowieso nicht und mit ihm kann ich nicht reden. Schon gar nicht über etwas, das ihn indirekt betrifft. Meine Brüder sind fünf Jahre alt und haben schon einiges erlebt in dieser kurzen Lebenszeit. Schon als Baby kriegten sie mit, wie ihr Vater mich verhauen hat und das ganze Geschrei und die Lieblosigkeit, die in unserem Zuhause geherrscht hat. Wohl wurden sie geliebt, aber ich wurde davon ausgeschlossen. Sie kriegten dabei mit, dass es reicht gar nichts zu tun um dafür bestraft zu werden. Und ihnen wurde vorgelebt, dass man Konflikte mit Gewalt lösen kann. Und sie erlebten auch, was es mit sich bringt, wenn die Mutter Alkohol trinkt und die Schwester Depressionen hat und der Vater mit sich überfordert ist. Keine allzuguten Voraussetzungen. Aber die Situation hat sich ja wesentlich gebessert in den letzten 2 Jahren. Es gibt zwar immernoch Streit, aber selten. Geschlagen wird eigentlich nicht mehr, auch wenn sie schon ein paar Mal eine (harmlose) Ohrfeige eingefangen haben.
Mein einer Bruder ist ausgesrochen empfindlich. Wenn man auch nur ein bisschen lauter ist als sonst, oder der Ton etwas anders als normal oder sonst etwas in der Art, dann fängt er bitterlich an zu weinen. Wirklich minime Unterschiede. Ich habe bisher immer gedacht, dass das halt seine Art ist. dass er nicht kritikfähig ist. Und ich habe gedacht, dass das vielleicht schon mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Aber vorhin hat er mir erzählt, warum er es tut. Und da bin ich schon etwas erschrocken. Ich habe angefangen auch angefangen zu heulen. Er hat gesagt, dass er in solchen Situationen weint, weil er Angst hat. Angst! Angst, weil jemand böse sein könnte auf ihn. Und er hat gesagt, dass er "fescht Angscht" hat. Ich habe einfach immer mehr das Gefühl, dass unsere verflixte Familiensituation vorallem ihn mehr geprägt hat, als alle annehmen wollen. Er hat Angst, dass man ihn nicht mehr lieb hat, wenn er etwas falsch macht. In einem gewissen Masse mag das normal sein, aber nicht so! Es gibt noch andere "Verhaltensauffälligkeiten", die ich auf das von meinen Brüdern Erlebte zurückführen kann. Bei beiden. Und ich frage mich einfach, ob es für sie nicht genau so wichtig ist, das Erlebte aufzuschaffen, wie es für mich ist? Aber anscheinend stehe ich in meiner Familie allein damit da. Und Aussenstehende dürfen ja von dem Chaos bei uns nichts wissen. Drum dachte ich, dass vielleicht ihr einen Tip habt, wie ich mit den Kindern umgehen soll. Auch irgendwo durch um sie zu schützen. Es ist schwierig herauszufinden, an was sie sich noch erinnern, und ich möchte auch nicht alte Wunden aufreissen. Aber ich bin mir sicher, dass das, was sie erlebt haben irgendwo in ihnen drin steckt, im Verborgenen. Bei mir sind die Erinnerungen an ihre panischen Augen auf jeden Fall noch da. Und es tut mir unendlich weh, dass ihre frühe Kindheit so schrecklich war. Ich würde so gerne helfen... Aber ich weiss nicht wie

Frage gestellt zu: Liebe, Sex und Freunde

Leben

Hallo Lilofee
Die Geschichte deiner Familie macht dich auch heute noch besorgt. Vor allem schmerzen dich die Bilder von Angst und von verlorener Kindheit. Da sind einerseits deine eigenen Erfahrungen und andererseits kümmerst und sorgst du dich um deine jüngeren Geschwister. Es kommt häufig vor in Familien wo Gewalt und Alkohol eine zentrale Rolle spielen, dass die Kinder zu viel Verantwortung auf sich nehmen und in eine Beschützerrolle gedrängt werden. Die Gefahr darin ist wiederum, dass sie riskieren sich aufzuopfern.
Zuerst ist es einmal wichtig, dass du dir selber ganz gut schaust. Dass du Orte hast, wo du dich wohlfühlen kannst. Wo du Kraft tanken kannst. Auch eine beste Freundin ist oft sehr wertvoll, wenn du einfach mal abhängen möchtest und dir von der Seele reden kannst.
Und dann ist da dein Bruder. Hole ihn in der Gegenwart ab. Lebe mit ihm im Hier und Jetzt. Kinder in diesem Alter haben noch keinen Zeitbegriff wie wir älteren. Sie denken noch nicht in den Dimensionen von Monaten oder Jahren. Auch haben Ängste in diesem Kindesalter eine andere Qualität als bei älteren Personen. Das Verständnis für Zusammenhänge ist noch nicht ausgereift. Sehr hilfreich ist es für deinen Bruder, wenn du ihm signalisieren kannst, dass du verlässlich und da bist und ihn so akzeptierst wie er im Moment ist. Und dass du ihn auch lieb hast (obwohl ein kleinerer Bruder durchaus mal auch nervig sein kann). Kinder in diesem Alter lieben Spiele und Bewegung. Geht doch mal miteinander auf den Spielplatz. Dort kann dir der junge Mann zeigen, was er so alles an Klettereien drauf hat. Und du kannst ihm zeigen, dass du zur Stelle wärst, wenn er es mal von einem Klettergerüst nicht mehr aus eigener Kraft herunter schafft. Vielleicht mögt ihr auch coole Musik. Tanzt du gerne? Leg deinen Lieblingssong auf und tanze dazu und lade deine Brüder dazu ein, mit zu tanzen. Und geniesst den Spass.
Liebe Lilofee, es ist nicht deine Aufgabe die Vergangeheit deiner Brüder aufzuschaffen. Das ist wenn es soweit ist, die Aufgabe von Fachpersonen. Sei du die Schwester deiner Brüder und gestaltet eure gemeinsame Zeit.
Karin

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